Bundesamt für Kartographie und Geodäsie

International Gravity Reference SystemTypNachricht

Eine globale Referenz für hochgenaue Messungen der Schwerebeschleunigung

Datum 18.01.2021

Nach 50 Jahren: Neudefinition des Internationalen Schwerereferenzsystems (IGRS) unter Federführung des BKG

Die physikalische Messgröße „Schwerebeschleunigung“, auch allgemein als Schwere bekannt, ist eine wichtige Informationsquelle nicht nur in der Geodäsie. Ob bei der Vermessung der physikalischen Höhe eines Punktes über einer Höhenreferenzfläche die gedanklich mit dem Meeresspiegel verbunden ist, ob bei der hochgenauen Bestimmung der Masse mit Präzisionswaagen oder ob beim Monitoring von Massenverlagerungen im System Erde aufgrund von Umweltveränderungen, überall nutzt man „Schweremessungen“. Diese Messungen beruhen in der Gegenwart auf dem physikalischen Experiment des freien Falls im Vakuum und werden weltweit mit einem hohen Anspruch an Präzision, Konsistenz und Zuverlässigkeit bereitgestellt.

Um all diese Anwendungen nachhaltig zu sichern, müssen die Schweremessungen auf einer international abgestimmten, einheitlichen und langfristig stabilen Grundlage beruhen, dem Internationalen Schwerereferenzsystem. Das Niveau des bisher gültigen International Gravity Standardization Net 1971 (IGSN71) beruht auf den in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts zur Verfügung stehenden Messungstechnologien. Die damals wenigen Absolutschweremessungen wurden mittels Relativpendel bzw. Federgravimetern vor allem in der westlichen Welt global übertragen und dann die so über einen Zeitraum von zwanzig Jahren bestimmten Schwerewerte einheitlich ausgeglichen.

Heute sind weltweit mehr als 100 Absolutgravimeter, neuerdings auch Quantengravimeter, im Bereich der Geodäsie, Geophysik und in der Metrologie im Einsatz und erreichen eine 10 – 100 fache höhere Präzision gegenüber der Genauigkeit des IGSN71. Das heißt, man kann derzeit die Schwerebeschleunigung von im Mittel 9.81 m/s2 auf etwa ein milliardstel (10-9) genau messen. Dadurch eröffnen sich viele neue Forschungsfelder, z. B. steht jetzt nicht mehr nur die globale Abdeckung mit konsistenten terrestrischen Schwerewerten im Mittelpunkt der Arbeiten, sondern auch die weltweite präzise Erfassung zeitlicher Schwereänderungen. Eine Erneuerung des Referenzsystems wurde somit dringend erforderlich. Der erste Schritt dazu wurde durch eine im Jahre 2015 gefasste Resolution der Internationalen Assoziation für Geodäsie (IAG) vollzogen und jetzt durch eine neue Definition des Internationalen Schwerereferenzsystems (IGRS ) umgesetzt.




Eine Expertengruppe der IAG hat unter Leitung des BKG diese neue Definition für das IGRS erarbeitet und nun im Journal of Geodesy veröffentlicht.

Im Zentrum des neuen Referenzsystems steht die Sicherung der Konsistenz der absoluten Schweremessungen und deren Rückführung auf das Internationale Einheitensystem (SI ). Alle verwendeten Absolutgravimeter sollen regelmäßig nach den Grundsätzen der Metrologie auf Referenzstationen verglichen werden, so dass für jedes individuelle Instrument die Übereinstimmung mit einem Referenzwert und damit die Kompatibilität aller Messungen sichergestellt werden kann. Weitere Festlegungen, die sich aus Korrekturmodellen für zeitabhängige Effekte ergeben komplettieren die Definition.

Im nächsten Schritt muss nun eine Infrastruktur geschaffen werden, um die getroffenen Festlegungen mittels eines weltweiten Netzes von Referenzstationen und Messpunkten für die praktischen Tätigkeiten zugänglich zu machen. Eine Datenbank, die am BKG unter Beteiligung des BGI maßgeblich entwickelt wurde, wird die Basis dafür bilden. Insbesondere Messstationen, auf denen die aktuelle Schwerebeschleunigung zu jedem Zeitpunkt mit hoher Genauigkeit verfügbar ist, haben eine herausragende Bedeutung für das neue Internationale Schwerereferenzsystem.

Als Komplement zum Internationalen Terrestrischen Referenzsystem und dem Internationalen Höhensystem trägt das IGRS zur Realisierung des Globalen Geodätischen Beobachtungssystems (GGOS ) der IAG bei und stärkt die Initiative der Vereinten Nationen für einen Globalen Geodätischen Referenzrahmen (GGRF ) sowie das Sub-Komitee für Geodäsie der Initiative für ein Globales Geoinformationsmanagement (UN-GGIM).
Das BKG trägt mit seinen Schwerereferenzstationen am Geodätischen Observatorium in Wettzell und am Argentinisch-Deutschen Geodätischen Observatorium in La Plata, Argentinien, das in Kooperation mit dem argentinischen Nationalen Rat für wissenschaftliche und technologische Forschung (CONICET) betrieben wird, maßgeblich zu der Realisierung des IGRS bei.

Referenz:
Wziontek, H., Bonvalot, S., Falk, R., Gabalda, G., Mäkinen, J., Pálinkás̆, V, Rülke, A, Vitushkin, L.: Status of the International Gravity Reference System and Frame. J Geod 95, 7 (2021).
https://doi.org/10.1007/s00190-020-01438-9