Bundesamt für Kartographie und Geodäsie

Geodätische Referenzsysteme

Der Begriff Referenzsystem oder Bezugssystem dürfte Erinnerungen an den Physikunterricht wecken und man könnte meinen, dass man normalerweise damit nichts zu tun hat. Allerdings verwenden wir tagtäglich Referenzsysteme ohne dabei nachzudenken: das einfachste „personenbezogene“ Referenzsystem (rechts, links, vorn, hinten, oben und unten) ist intuitiv und man lernt es quasi mit der Muttersprache. Nur hilft dieses Referenzsystem bei Aufgaben jenseits der eigenen Orientierung im unmittelbaren Umfeld nicht viel weiter. Für allgemeine Ortsangaben benötigen wir ein Referenzsystem, das fest mit der Erde verbunden ist. Dieses kann sich zunächst auf einen beliebigen Punkt der Erde beziehen. Für die Errichtung und Überwachung von Bauwerke werden beispielsweise spezielle lokal gültige Referenzsysteme  genutzt (topozentrisches Referenzsystem). Für allgemeingültige Orts- oder Geschwindigkeitsangaben auf der Erde werden hingegen geozentrisch gelagerte erdfeste Referenzsysteme benötigt. Bewegungen der Erde als Ganzes, das Rotationsverhalten der Erde um ihre eigene Achse oder die Position der Himmelskörper kann nur in einem himmelsfesten Referenzsystem sinnvoll beschrieben werden. Es gibt deshalb nicht das eine geodätische Referenzsystem, dass für alle Anwendungen gleichermaßen gut geeignet ist. Die Angabe von Positionen und Geschwindigkeiten ist ohne die Angabe des zugrundeliegenden geodätischen Referenzsystems unvollständig. Es gehört zu den Aufgaben der Geodäsie, die theoretischen und messtechnischen Grundlagen der verschiedenen Referenzsysteme sowie die notwendigen Transformationen zwischen ihnen für die praktische Nutzung bereitzustellen.

Ein Beispiel: Für die Wetterüberwachung und -vorhersage in Europa werden u. a. Daten der METEOSAT-Satelliten benutzt. Diese geostationären Satelliten umkreisen die Erde auf einer Höhe von etwa 36000 km über dem Äquator. Da sie sich mit derselben Umlaufgeschwindigkeit um die Erde drehen wie die Erde um sich selbst dreht (Erdrotation), stehen sie an einem festen Punkt über der Erde (erdfestes Referenzsystem). Für einen Beobachter auf der Erde scheint der Satellit also ortsfest zu sein und die Geschwindigkeit ist null. Andererseits bewegen sich Satelliten in einer geostationären Umlaufbahn mit einer Winkelgeschwindigkeit von einer Erdumrundung pro Tag und folgen der Erdrotation mit einer Geschwindigkeit von etwa drei km/s oder 11000 km/h (himmelfestes Referenzsystem).

Referenzsysteme und -rahmen

Es gilt zu unterscheiden zwischen Referenzsystemen und Referenzrahmen. Erstere ist die theoretische Vorstellung, letztere ist die Realisierung (Drewes 2009):

Referenzsysteme (auch Bezugssysteme genannt) definieren Konstanten, Konventionen, Modelle und Parameter, die als notwendige Grundlage für die mathematische Darstellung geometrischer und physikalischer Größen dienen. Beispiel: ein dreidimensionales kartesisches System mit dem Ursprung im Geozentrum, das äquatorial ausgerichtet ist, eine metrische Skala hat und mit der Erde rotiert.

Referenzrahmen (auch Bezugsrahmen genannt) realisieren das Referenzsystem physikalisch und mathematisch, d. h. durch die Einrichtung von und die Beobachtung auf Festpunkte, sowie die Bestimmung von Parametern (z. B. geometrischen Koordinaten). Beispiel: Messpfeiler deren Koordinaten aus den Messungen nach der Definition des Referenzsystems berechnet werden.

Drewes H. (2009), Reference Systems, Reference Frames, and the Geodetic Datum. In: Sideris M.G. (eds) Observing our Changing Earth. International Association of Geodesy Symposia, vol 133. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-540-85426-5_1

Das geodätische Datum beschreibt die Lage eines Koordinatensystems in Bezug auf den Erdkörper. Um die Lage von Objekten auf der Erde mittels Koordinaten zu beschreiben, muss festgelegt werden, wie das verwendete Koordinatensystem mit der Erde verbunden ist. Dazu gehören Informationen über die Lage des Koordinatenursprungs, die Orientierung der Achsen und den Maßstab des Koordinatensystems. Für ein kinematisches Koordinatenreferenzsystem, dessen Punkte ihre Koordinaten mit der Zeit ändern, ist zusätzlich die Angabe einer Referenzepoche erforderlich.

In der Praxis wird bei der Auswertung der Messungen eines geodätischen Netzes das geodätische Datum realisiert, indem für bestimmte Vermessungspunkte Festlegungen getroffen werden (z. B. feste Koordinaten). Diese Punkte werden Datumspunkte genannt. Alle Punkte eines geodätischen Netzes mit ihren Koordinaten bilden den Referenzrahmen.

Siehe auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Geod%C3%A4tisches_Datum