Bundesamt für Kartographie und Geodäsie

Twin-Teleskope Wettzell

Seit der Inbetriebnahme der Twin-Teleskope im Jahr 2012 ist die Vermessung der Erde in einer neuen Dimension der Genauigkeit möglich. Durch die Nutzung zweier identischer Radioteleskope können VLBI-Beobachtungsreihen kontinuierlicher als zuvor durchgeführt sowie zwei Objekte gleichzeitig beobachten werden.

Einleitung

In Anlehnung an die VLBI 2010-Richtlinien wurde von einem Planungsteam die Errichtung eines Twin-Radioteleskops vorgeschlagen, das aus zwei identischen, wechselseitig und vollautomatisch betriebenen Radioteleskopen besteht. Dadurch wird es möglich, Reparatur- und Wartungsarbeiten ohne Unterbrechung der Messreihen durchzuführen.

Die Nutzung von zwei Teleskopen ist auch bei Programmen von Vorteil, bei denen gleichzeitig zwei Objekte (Quasare oder Satelliten) oder zwei Beobachtungsnetze beobachtet werden sollen. Zudem sind auch Anordnungen denkbar, bei denen Teleskope zur Vergrößerung der Reflektorfläche kombiniert werden. Der gegenüber dem RTW deutlich geringere Antennendurchmesser von 13,2 m ist ein Kompromiss aus der erforderlichen Mindestgröße von 12 m und der Forderung nach einem leichten, schnellen Teleskop, was darüber hinaus auch mit einer deutlichen Kostensenkung verbunden ist.

Das Teleskop beruht auf dem ALMA-Design, was den Konstruktionsaufwand erheblich reduziert, wobei auf einige für die Geodäsie relevanten Aspekte besonderer Wert gelegt wurde:

  • minimaler Weglängenfehler
  • extrem hohe Steifigkeit des Reflektors, der Elevationskabine und der Azimutgabel
  • spielfreie Lagerung
  • hochauflösende Hohlwellen-Encoder

Technische Daten

  • Hauptreflektor: 13,2 m
  • Ringfokus-Optik
  • f/D = 0,29
  • Weglängenfehler kleiner als 0,3 mm
  • ALMA-Montierung
  • Antriebsgeschwindigkeiten: 12°/s in Azimut und 6°/s in Elevation
  • balancierte Ausleger
  • 27-Bit-Encoder mit 0,0003° Auflösung
  • Subreflektor über ein Hexapod verstellbar

Bild zeigt den Strahlengang bei einer Ringfokus-Optik Strahlengang beim Ringfokus-Design

Die Form des Haupt- und Subreflektors entspricht einem Ringfokus-Design, das neben einer hohen Effizienz (keine Abschattung durch den Subreflektor) auch eine Verringerung der Einstrahlung von Bodenrauschen und Sonnenlicht auf das Feedhorn mit sich bringt.

Anforderungen aus VLBI 2010

Viele der für die Geodäsie genutzten Radioteleskope sind heute mehr als 25 Jahre alt. Da VLBI auch in Zukunft die grundlegende Technik der Geodäsie zur Laufendhaltung von globalen Bezugsrahmen der Erdvermessung bleiben wird, wurde im Jahr 2005 vom International VLBI Service for Geodesy and Astrometry (IVS) das Strategiepapier VLBI 2010: Current and Future Requirements for Geodetic VLBI Systems (PDF, 406KB) herausgegeben.

Darin werden die operationellen Ziele wie folgt formuliert:

  • Messgenauigkeit globaler Basislinien von 1 mm
  • kontinuierliche Bestimmung von Stationskoordinaten und Erdorientierungsparametern
  • Erzeugung und Verteilung der Produkte in weniger als 24 Stunden

Für die Erhöhung der Messgenauigkeit werden folgende Strategien vorgeschlagen:

  1. Verbesserung der Genauigkeit der beobachteten Laufzeitdifferenz
  2. Erhöhung der Anzahl beobachteter Radioquellen
  3. Reduktion systematischer Fehler
  4. Erhöhung der Anzahl von Observatorien und Verbesserung der Verteilung
  5. Verringerung des Einflusses von Störfrequenzen
  6. Entwicklung neuer Beobachtungsstrategien
  7. Verbesserung der Datenanalyse

Vor allem die Punkte 1, 2, 3 und 5 haben unmittelbaren Einfluss auf das Messsystem. Die daraus resultierenden Forderungen an das Messsystem zeigt folgende Tabelle:

Angestrebtes Ziel

Maßnahme

Verbesserung der Genauigkeit der Laufzeitdifferenz
  • Erhöhung der Empfangsbandbreite
    (Frequenzbereich, Polarisation)
  • konstantes Phasenzentrum (Feed)
  • stabiler Phasenverlauf im Receiver
  • Verbesserung des Signal-Rauschverhältnisses
    (Antenne, Empfänger)
  • Verbesserung der Phasen- und Kabelkalibrierung
  • Erhöhung der Abtastraten
  • Vergrößerung der Bit-Quantisierung (2, 4, 8 Bit)
  • Verlängerung der Integrationszeiten
Erhöhung der Anzahl beobachteter Radioquellen
  • Verkürzung der Messdauer

    • Verbesserung des Signal-Rauschverhältnisses
    • Erhöhung der Bandbreite
  • Verkürzung der Fahrzeiten

    • leichtere Teleskope
    • Verbesserung der Mechanik (Verschleißminimierung)
Reduktion
systematischer Fehler
  • instrumentelle Fehler
    (T- und U-Abhängigkeit analoger Komponenten)
  • mechanische Fehler
    (Stabilität des Teleskops, Lager- und Getriebespiel)
Verringerung des Einflusses von Störfrequenzen
  • Erweiterung des Frequenzbereiches bis mindestens 14 GHz
  • Aufzeichnung der Störungen und Ausschluss der betroffenen Frequenzbänder

Für ein, den VLBI 2010-Kriterien gerechtes Radioteleskop ergeben sich folgende Anforderungen:

  • Teleskop:

    • hohe mechanische Stabilität
    • hohe Drehgeschwindigkeit
    • Hauptreflektor > 12 m Durchmesser
  • Empfangssystem:

    • Frequenzbereich von 2 bis 14 GHz mit Option im Ka-Band (27-40 GHz)
    • S- und X-Band Kompatibilität
    • stabiles Phasenzentrum und stabiler Referenzpunkt
    • hohe Effizienz bei geringem Eigenrauschen
  • verbesserte Referenz- und Kalibriersysteme
  • leistungsfähige digitale Datenaufzeichnungssysteme

Feed

Ein sehr wichtiger Bestandteil jedes Radioteleskops ist das Feed, wo die elektromagnetischen Wellen in elektrische Signale umgewandelt werden. Hierbei sollten die Verluste z.B. durch Reflexionen möglichst klein gehalten werden, so dass üblicherweise ein Feed für einen bestimmten Frequenzbereich optimiert ist. Für die geforderte Breitbandigkeit ist somit ein Feed zu entwickeln, das über den gesamten Frequenzbereich von 2 bis 14 GHz eine hohe Effizienz und ein ortsfestes Phasenzentrum aufweist.

Für die Twin-Teleskope werden derzeit zwei verschiedene Design-Varianten in Betracht gezogen, das Triband-Feed und das Eleven-Feed. Während das Triband-Feed ein auf die drei Frequenzbänder S-, X- und Ka-Band optimiertes, klassisches Feed darstellt, ist das Eleven-Feed ein echtes Breitbandfeed im Frequenzbereich 2-14 GHz.

Triband-Feed

Eleven-Feed

Design

Effizienz

Fluss-
diagramm

Abbildungen: W. Göldi, Mirad Mikrowellentechnik; S. Kildal, Chalmers University

Standortauswahl

Bild zeigt die Twin-Teleskope Wettzell mit Betriebsgebäude Twin-Teleskope Wettzell mit Betriebsgebäude

Nach dem Zukauf eines geeigneten Grundstücks wurden im Sommer 2008 insgesamt 13 Bohrungen mit Endtiefen zwischen 15 und 20 m durchgeführt, um geeignete Standorte für die beiden Teleskope zu finden. Während der erste Standort um die Bohrungen BK21 - BK23 sich als geeignet herausstellte, zeigte der zweite vorgesehene Standort um die Bohrungen BK13, BK15 - BK17 sehr ungünstige Untergrundverhältnisse. In Tiefen zwischen 9 m und 14 m wurde teilweise völlig entfestigtes Material angetroffen, das zu sandigem Schlamm zerbohrt wurde. Teilweise trat auch totaler Kernverlust auf. Der alternative Standort um die Bohrungen BK18 - BK20 zeigte einen geeigneten Untergrund mit einem angewitterten, aber recht homogenem Gesteinsverband.

Ausgewählte Bohrkerne

Standortauswahl für das Betriebsgebäude

Der Standort des Betriebsgebäudes ergab sich aus folgenden Randbedingungen:

  1. identische Kabellängen zwischen jedem der beiden Twin-Teleskope und dem Betriebsgebäude
  2. freie Sicht zwischen Beobachtungsraum / Messpfeiler auf dem Dach und allen Radioteleskopen

Fotodokumentation

Bilder der Errichtung der Twin-Teleskope finden Sie in einer Fotodokumentation