Bundesamt für Kartographie und Geodäsie

Abschlussarbeiten am Geodätischen Observatorium Wettzell – ein Erfahrungsbericht

Im Rahmen der Forschungen und Entwicklungen am Geodätischen Observatorium Wettzell (GOW) können Studierende Abschlussarbeiten anfertigen. Diese Möglichkeit nahm Stefanie Häusler wahr und verfasste dort nach ihrer Bachelorarbeit auch ihre Masterthesis. Über ihre Erfahrungen berichtet sie hier.

Bereits im dritten Semester meines Bachelorstudiengangs Technische Physik an der Technischen Hochschule Deggendorf wusste ich, dass ich später mal in der Forschung arbeiten wollte. Auslöser war ein Vortrag über Radioteleskope. Daran faszinierte mich, dass es um Beobachtungen aus dem Weltall ging. Ich fand die Vorstellung etwas zu erforschen, wofür ich mich begeistern kann, echt cool. Am Ende sind es aber dann doch keine Radioteleskope geworden.

An das GOW kam ich über mein Bachelor-Projekt „Laser Fire Epoch Synchronization for Laser Time Transfer to the International Space Station (ISS)”. Das Projekt wurde bei uns in der Vorlesung vorgestellt. Ich fand das so spannend, dass ich mich sofort dafür gemeldet habe.

Laser Ranging

Dadurch bin ich in der Laser-Entfernungsmessung, auch Laser Ranging genannt, gelandet. Bei diesem Verfahren werden Laserpulse mithilfe eines Teleskops in Richtung von Satelliten ausgesandt. Diese sind mit Reflektoren ausgestattet, die die Laserpulse zurückwerfen. An der Laser Ranging-Station wird das reflektierte Licht durch das Teleskop wieder eingefangen und detektiert. Gemessen wird die Laufzeit, die das Licht vom Teleskop zum Reflektor und wieder zurück braucht. Da die Lichtgeschwindigkeit bekannt ist, kann aus der Laufzeit die Distanz zwischen dem Teleskop und dem Reflektor bestimmt werden. Distanzmessungen von verschiedenen, global verteilten Laser Ranging-Stationen tragen zum Beispiel dazu bei, dass Satellitennavigationssysteme langfristig stabil betrieben werden können.

Optimale Arbeitsbedingungen

Schon während meines Bachelor-Projektes habe ich die angenehme Arbeitsatmosphäre am Geodätischen Observatorium Wettzell geschätzt. Daher war ich sehr froh, dass ich auch meine Masterarbeit dort schreiben konnte. In diesem Projekt wollten mein Betreuer Johann Eckl und ich die Verteilung des reflektierten Signals - man bezeichnet das als Fernfeld-Beugungsmuster - genauer untersuchen. Das zurückgeworfene Licht kehrt nicht genau punktförmig wieder an seinen Ursprung, zum Teleskop, zurück, sondern verteilt sich über eine größere Fläche. Mit nur einem Laser-Ranging-Teleskop „sieht“ man nur einen einzelnen Punkt des flächig verteilten Beugungsmusters und man kann nur schwer Aussagen über die Eigenschaften der Verteilung treffen.

Da das Geodätische Observatorium Wettzell mit zwei Laser-Ranging-Stationen ausgestattet ist, war es möglich, das ausgedehnte Beugungsmuster an zwei Punkten zu messen und abzuschätzen, wie es sich dazwischen verhält. Das Beugungsmuster wird durch verschiedene Phänomene beeinflusst, wie durch den Reflektor selbst, die Atmosphäre und Bewegung des Reflektors. Ist das Beugungsmuster bekannt, kann man etwas über diese Phänomene lernen.

Recherche, Entwicklung und Messungen

Zunächst aber arbeitete ich mich in dieses neue Thema ein. Die Recherche hat mir viel Spaß gemacht. Ich habe mich mit Optik, Elektrotechnik, Datenanalyse und Programmieren beschäftigt. Um Messungen des Beugungsmusters mit zwei Systemen zu ermöglichen, mussten wir zunächst einen Detektor entwickeln und im Wettzell Laser Ranging System einbauen, um die reflektierten Signale des Satellite Observing System Wettzell messen zu können. Beide Systeme arbeiten normalerweise unabhängig voneinander mit verschiedenfarbigem Laserlicht. Besonders die lange Lieferzeit für manche Bauteile war nervenaufreibend – schließlich will man vorankommen. Zum Glück kam dann aber doch alles pünktlich.

Für unsere Messungen mussten beide Systeme zeitgleich und aufeinander abgestimmt arbeiten. Das klappt selbst bei der besten Technik nicht immer. Dann spielt natürlich auch das Wetter eine Rolle. Bei Bewölkung kann nicht gemessen werden, da das Licht die Wolken nicht durchdringt. Alles in allem führt das dann dazu, dass man immer weniger Messdaten erhält als gewünscht.

Plausibilitätsprüfung und Auswertung

Bevor die Daten weiterverarbeitet werden konnten, habe ich ihre Plausibilität überprüft. Man hat eine bestimmte Vorstellung davon, was physikalisch bei einer solchen Messung passiert und hat daher eine Erwartung, wie die Messwerte aussehen werden. Passen Messung und Erwartung nicht zusammen, muss man herausfinden, warum das so ist. Vielleicht hat man einen physikalischen Effekt nicht berücksichtigt, den man dann noch untersuchen muss. Vielleicht ist aber auch bei der Messung ein Fehler passiert und man kann die Daten nicht verwenden.

Es war das erste Mal, dass solche Messungen durchgeführt wurden. Ich hatte also keine Vergleichswerte und musste mir ein eigenes Konzept überlegen, wie ich die Ergebnisse vorab verifizieren kann. Das war eine ganz neue Erfahrung für mich. Um aus den Messdaten die Eigenschaften des beobachteten Beugungsmusters zu bestimmen, habe ich die vorhandenen Modelle für das Beugungsmusters in ein Python-Programm übersetzt. Ich programmiere gerne und im Gegensatz zu den Übungen an der Hochschule, bei denen es hauptsächlich darum geht, Programmieren zu lernen, gab es in diesem Fall eine nützliche Anwendung für mein Programm. Da macht das gleich noch viel mehr Spaß.

Erkenntnisse

Man wird aber auch vor Herausforderungen anderer Art gestellt. Bei meinen Recherchen bin ich beispielsweise auf verschiedene physikalische Erklärungen für die sogenannte Geschwindigkeitsaberration gestoßen. Diese entsteht dadurch, dass sich der Reflektor auf einem sich bewegenden Objekt, nämlich dem Satelliten befindet. Obwohl das Licht sehr schnell ist und sich nur sehr kurz in dem Reflektor befindet, verschiebt die Bewegung des Reflektors das Beugungsmuster im Raum. Man muss diesen Effekt bei der Auswertung von Laser-Ranging-Daten berücksichtigen, aber bei meinen Analysen hat keine der Formeln zu meinen Ergebnissen gepasst. Einerseits hatte ich viel zu wenige Messdaten für ein verlässliches Ergebnis. Andererseits habe ich bei meinen Recherchen keine wissenschaftlichen Arbeiten gefunden, die die bekannten Formeln für die Geschwindigkeitsaberration experimentell untersucht hätten. Dann kam mir die Idee in den Sinn: Was, wenn die Formeln nicht stimmen? Es wäre ja spektakulär, wenn man das nachweisen könnte. Nicht leicht da einen kühlen Kopf zu bewahren, sich nicht von der eigenen Begeisterung mitreißen zu lassen und wissenschaftlich vorzugehen. Man muss sich bewusst machen, dass das Ergebnis mit mehr Messdaten vielleicht völlig anders aussähe und dann die Geschwindigkeitsaberration gut erklärt werden könnte. Hätte ich nur die Zeit gehabt, denn mit unserem Experiment wäre es mit mehr Messungen möglich gewesen genau das zu untersuchen. Ich hoffe, dass sich zukünftig nochmal jemand genauer mit diesem Thema befassen wird.

Einfluss der Atmosphäre auf die Messungen

Wenn mit der Zeit mehr Messdaten vorliegen, können sie auch dazu verwendet werden den Einfluss der Atmosphäre zu bestimmen. Die Atmosphäre bricht das Licht, so ähnlich wie bei einem Löffel, den man im Wasserglas nur verzerrt sieht. Allerdings ist das bei der Atmosphäre noch komplizierter, weil sich ihre Eigenschaften auf dem Weg, den das Licht zurücklegt, ändern und die Luft außerdem in Bewegung ist. Den aktuellen Zustand der Atmosphäre können wir nicht beobachten, deswegen wissen wir nicht, wie sie die einzelne Messung beeinflusst. Natürlich gibt es Theorien und Experimente dazu, aber es ist immer noch ein schwieriges Thema. Bisher wurde noch nicht untersucht wie sich die Atmosphäre auf das Fernfeldbeugungsmuster auswirkt. Wenn wir das Beugungsmuster durch unsere Messungen bestimmen können und Beobachtungen bei unterschiedlichen Wetterbedingungen vorliegen, können wir abschätzen, wie die Atmosphäre das Beugungsmuster und damit die Messung beeinflusst.

Leider haben wir momentan nicht genügend Messungen für diesen Schritt. Aber ich bin sehr glücklich darüber, dass wir zeigen konnten, dass Messungen in dieser Anordnung möglich sind und plausible Daten liefern. Wie bei den meisten wissenschaftlichen Projekten bleiben aber auch einige Fragen offen. Ich hoffe, dass sich diesen auch jemand widmen wird – vielleicht ein anderer Masterstudent?

Fazit

Insgesamt hatte ich viel Freude mit meinem Masterprojekt am Geodätischen Observatorium Wettzell. Natürlich wird man immer wieder vor herausfordernde Probleme gestellt, aber ich habe festgestellt, dass es mir Spaß macht solche Probleme zu lösen. Es ist dann ein echtes Erfolgserlebnis, wenn man nach und nach eine Lösung für das jeweilige Problem findet. Natürlich war es für mich beruhigend zu wissen, dass ich einen Ansprechpartner habe, der mich unterstützt, wenn ich wirklich gar nicht mehr weiterkomme. Ich bin Johann Eckl sehr dankbar für die gute Zusammenarbeit und Betreuung.

Schade, dass diese Zeit vorbei ist, aber in meinem neuen Job am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt warten neue Herausforderungen aus der optischen Satellitenkommunikation (satelliten-basierte Quantenschlüsselverteilung) auf mich. Da gibt es durchaus Ähnlichkeiten zum Laser Ranging. Daher kann ich auf das Wissen und die Erfahrungen aus meinem Masterprojekt aufbauen.

Kreisförmiger,Detektor mit goldenem runden Bauteil in der Mitte und einem Grünen Außenring Mit einer Single Photon Avallanch Diode (das goldene Bauteil in der Mitte) wird das reflektierte Licht in ein elektrisches Messsignal umgewandelt. Die Diode ist eine spezielle Art von Photodetektor, mit der auch einzelne Lichtteilchen (Photonen) detektiert werden können.

Grüne, halbrunde Platine mit verschiedenen Bauteilen. Der Detektor wird nur aktiviert, wenn ein reflektiertes Signal erwartet wird. Mit dieser Schaltung wird der Detektor aktiviert und deaktiviert.

Junge Frau mit Brille und hochgesteckter Frisur bringt auf Schulterhöhe Kabel an einem Stativ an. Hier habe ich gerade den Detektor für die späteren Messungen im WLRS angebracht.

In einem Raum befindet sich ein blaues Stativ, an dem links ein Bauteil montiert ist, an dem verschiedene Kabel befestigt sind. Bei den Messungen haben wir den Detektor mit einem Schutzstoff umwickelt, damit kein Licht aus dem Raum hineinstreut und die Messung stört.

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