Bundesamt für Kartographie und Geodäsie

Radiointerferometrie (VLBI)

Noch vor wenigen Jahrzehnten konnte nur das sichtbare Licht von Himmelskörpern mit optischen Teleskopen beobachtet werden. Heute bilden Quasare die Grundlage für die Vermessung der Welt mittels Radiointerferometrie.

Einführung

VLBI

Mit den Arbeiten von Jansky wurde 1931 der Grundstein zur Erforschung des Weltraums im Radiofrequenzbereich gelegt. Jansky stellte fest, dass Himmelskörper neben dem sichtbaren Licht Radiowellen aussenden. Diese Radioquellen oder Quasare bilden heute die Grundlage für die Vermessung der Welt mit VLBI (Very Long Baseline Interferometry). Damit messen wir Entfernungen zwischen Radioteleskopen, also Basislinien, selbst wenn sie sich auf verschiedenen Kontinenten befinden. Das weltweite Netz von Basislinien bildet die Grundlage der Erdvermessung.

Auf den Zeitunterschied kommt es an

Die Strahlung von Radioquellen im Universum, sogenannte Quasare, erreicht nach Milliarden Jahren das Radioteleskop 1 und wird dort aufgezeichnet. Das gleiche geschieht auch am Radioteleskop 2, nur trifft dort die gleiche Strahlung aus geometrischen Gründen ein paar tausendstel Sekunden später ein. Diesen Zeitunterschied können wir heute an sogenannten Korrelatoren präzise bestimmen. Multipliziert mit der Lichtgeschwindigkeit ergibt sich daraus eine Strecke, mit der wir die Länge der Basislinie berechnen können - einfache Trigonometrie.

Alleine geht es nicht

Das Messprinzip erfordert mindestens 2 Radioteleskope und gleichzeitiges Beobachten vorgegebener Radioquellen. Schon deshalb ist eine straffe Koordination erforderlich. Der International VLBI Service organisiert und koordiniert die Messprogramme und regelt den Datenfluss und die Analyse. Die einzelnen Aufgaben sind auf die verschiedenen Institutionen weltweit verteilt.

Mit dem Radioteleskop Wettzell, den beiden Twin-Teleskopen (TTW-1/2), dem Radioteleskop TIGO und dem Radioteleskop O'Higgins hat Deutschland einen großen Anteil im Beobachtungssektor.

Messprogramme

Ständig in Aktion

Da die Erde immer in Bewegung ist, müssen wir sie regelmäßig vermessen. Aus den jeweiligen Aufgabenstellungen ergeben sich Programme (Sessions) mit unterschiedlichen Stationen und Beobachtungszeiten. Die jeweils montags und donnerstags stattfindenden R1- und R4-Sessions dauern je 24 Stunden und dienen vor allem der Bestimmung der Orientierung der Erde im Raum, das heißt es werden Polbewegung, Drehgeschwindigkeit und Nutation bestimmt.

Täglich ist Wettzell an einstündigen Messungen der Drehgeschwindigkeit beteiligt, den sogenannten Intensive-Sessions. Die Aufzeichnungen werden innerhalb kürzester Zeit zum U.S. Naval Observatory in Washington übertragen, korreliert und die Drehgeschwindigkeit berechnet. Diesen Daten werden regelmäßig an die GPS-Satelliten übertragen, um die Genauigkeit des Navigationssystems zu gewährleisten.

Etwa alle 2 Monate finden die sogenannten T2-Sessions statt, die der Beobachtung des terrestrischen Referenzrahmens dienen und an der sämtliche zur Verfügung stehende Radioteleskope teilnehmen. Von Zeit zu Zeit werden in CRF-Sessions auch die Positionen der Radioquellen überprüft, um die Stabilität des himmelsfesten Bezugssystems (CRF) nachzuweisen.

Wichtige Daten

Durch die hohe Genauigkeit des Messverfahrens von besser als 1 cm, den Bezug auf ein himmelsfestes Referenzsystem und die mittlerweile über 30 Jahre langen Zeitreihen liefert die Very Long Baseline Interferometry wertvolle Informationen zu:

  • Terrestrischen Referenzsystemen
  • Himmelsfesten Referenzsystemen
  • Tageslänge (LoD) bzw. Erdrotationswinkel (UT1)
  • Polbewegung
  • Nutation und Präzession
  • Plattentektonik
  • Atmosphärenparameter

Datenaufzeichnung

Von der Strahlung zum Signal

Die durch das Teleskop gebündelte Strahlung wird dem Feedhorn zugeführt, wo sie in elektrische Signale umgewandelt wird. Die im S- und X-Band empfangenen Signale durchlaufen zusammen mit dem eingespeisten Phase-cal Signal zunächst einen gekühlten Vorverstärker und eine weitere Verstärkerstufe, bevor sie mit stabilen Frequenzen der Lokaloszillatoren LO (2020 bzw. 8080 MHz) auf Zwischenfrequenzen von 100-500 MHz heruntergemischt und zum Betriebsraum übertragen werden.

Bild zeigt ein Flussdiagramm der VLBI-Signale Flussdiagramm Flussdiagramm der VLBI-Signale

Dort werden sie auf verschiedene Basisbänder mit Bandbreiten von 4 bzw. 8 MHz heruntergemischt und dem Formatter zugeführt, wo die Signale digitalisiert, mit einer Zeitinformation versehen und aufgezeichnet werden. Die benötigte hochgenaue Bezugsfrequenz liefert ein Wasserstoffmaser (eine Atomuhr mit einer Abweichung von weniger als 0,1 milliardstel Sekunde pro Tag).

Von Analog nach Digital

Digitale Base Band Converter (DBBC) ersetzen zukünftig die heute verwendete analoge Empfangstechnik. Die vom Radioteleskop kommenden Signale werden im DBBC schnellen Analog/Digital Wandlern mit derzeit 2 GHz Taktfrequenz zugeführt und mit Field Programmable Gate Arrays (FPGA) zur Datenregistrierung aufbereitet. Durch eine entsprechende Programmierung der FPGA werden die analogen Baugruppen, wie der Lokaloszillator, die Mischer und Bandpassfilter, ersetzt und mit zusätzlichen Funktionen wie z.B. polyphase Filter erweitert.

Die Datenaufzeichnung erfolgt mit einem Mark5B+ Datenrekorder, der ebenfalls eine Aufzeichnungsrate von 2 Gbit/s hat. Die Anbindung geschieht über eine eigene Schnittstelle (VSI), die speziell für diese Zwecke entwickelt wurde. Der Datenrekorder verfügt über ein herausnehmbares Datenmodul bestehend aus 8 Festplatten mit einer Speicherkapazität von derzeit etwa 6 TByte.

Bereits in der Entwicklung befindet sich eine optische Datenübertragung zum Mark5C Datenregistriergerät, das in 1 bis 2 Jahren verfügbar sein wird (Datenrate von 4 bis zu 10 Gbit/s).

Korrelation

Bei der Korrelation wird der Zeitunterschied ermittelt, mit dem die Strahlung bei den verschiedenen Radioteleskopen eingetroffen ist.

Bild zeigt den Zeitunterschied zwischen 2 Signalspuren Zeitunterschied Zeitunterschied zwischen 2 Signalspuren

Hierzu werden die beschriebenen Datenmodule an Korrelationszentren versandt, wo zwischen je 2 Signalspuren innerhalb eines bestimmten Zeitfensters eine Kreuzkorrelation durchgeführt wird. Während früher ausschließlich Hardware-Korrelatoren mit speziellen Prozessoren verwendet wurden, kommen heute mehr Software-Korrelatoren in leistungsstarken Rechnerclustern zum Einsatz.

Die folgenden Bilder zeigen den bis 2010 im Einsatz befindlichen Hardware-Korrelator des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn:

Die Korrelation der in Wettzell aufgezeichneten Experimente erfolgt überwiegend an den Korrelatoren Washington, MIT Haystack und Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) Bonn, wo das BKG gemeinsam mit dem MPIfR einen Korrelator betreibt. Dort wird derzeit ein Single-Baseline Software-Korrelator in einer ersten Ausbaustufe realisiert.

e-VLBI

Der Transport zum Korrelator der bei der VLBI-Aufzeichnung entstehenden, riesigen Datenmengen war von Beginn an ein logistisches Problem. Die zeitliche Verzögerung der VLBI-Ergebnisse aufgrund des Datentransports mit Hilfe von Magnetbändern oder Festplatten konnte in den letzten zwei Jahrzehnten kontinuierlich verringert werden.

Seit dem Jahre 2004 verfügt das Geodätische Observatorium Wettzell über einen Glasfaser-Internet-Anschluss, der von ursprünglich 34 Mbit/s auf jetzt 1 Gbit/s erweitert wurde. Bereits seit dieser Zeit werden Messungen zur Erfassung der Erdrotationsparameter (INT1 und INT2) über das Internet automatisch zum Korrelator in Washington übertragen. Mit der Einführung einer neuen Intensive-Reihe (INT3), bei der die Daten der beteiligten Stationen NyAlesund (Norwegen), Tsukuba (Japan) und Wettzell innerhalb von 6 bis 8 Stunden übertragen, korreliert und ausgewertet werden, wurde in der VLBI-Technik eine neue Epoche beschritten.

Derzeit werden in Wettzell die Vorbereitungen für die Implementierung einer RealTime-Datenübertragung zum MPIfR-Korrelator in Bonn getroffen, mit der die anfallenden Daten direkt und ohne Zwischenspeicherung auf ein Festplatten-Array am Korrelator transferiert werden.

Erste Versuche sind bereits erfolgreich verlaufen. Grundvoraussetzung ist eine stabile Internetverbindung, die eine festgelegte Datenrate nicht unterschreitet. Auch vom geodätischen Observatorium TIGO in Concepcion (Chile) wurden bereits RealTime-Daten nach Bonn übertragen. Es ist das Ziel, zukünftig den vom MPIfR betrieben Software-Korrelator online mit Daten zu versorgen. Damit wird es möglich sein, VLBI-Daten echtzeitnah zu korrelieren und auszuwerten.